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21. November 2018
// Reportagen & Berichte

Wie man die Bedrohung durch multiresistente
Erreger kontrolliert

Im Gespräch mit Hygienefachkraft Christian Fischer vom Klinikum Lippe

So genannte Krankenhauskeime beunruhigen viele Patienten. Muss ich in der Klinik damit rechnen, noch kranker statt gesund zu werden? Kann ich mich auch im Alltag mit den multiresistenten Erregern anstecken? Themen, über die viel Halbwissen im Umlauf ist. Umso interessanter war ein Vortrag von Christian Fischer bei Stiegelmeyer. Herr Fischer ist Hygienefachkraft im Klinikum Lippe und hat es dort gemeinsam mit seinen Kollegen geschafft, die Zahl der Krankenhausinfektionen signifikant zu senken.

Als multiresistente Erreger gelten Bakterien, die durch Genmutation gegen mehr als zwei Antibiotika-Arten widerstandsfähig geworden sind. Solche Erreger entwickeln sich dort, wo Antibiotika häufig eingesetzt werden – zum Beispiel in der Massentierhaltung. Bei der Hühnerzucht werde sogar das Reserveantibiotikum Colistin eingesetzt, das hierzulande als Mittel für den Notfall bei Menschen zurückgehalten werde, erklärt Herr Fischer. Auch der bekannte Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sei in der Schweine- oder Rinderzucht entstanden. Menschen, die oft mit Nutztieren in Berührung kämen, seien häufiger von diesen Bakterien besiedelt als andere.

Im Alltag sind wir gut geschützt

„Besiedelt“ ist tatsächlich das passende Wort – und nicht etwa „infiziert“. Denn der alltägliche Kontakt mit multiresistenten Erregern ist in der Regel ebenso unspektakulär und harmlos wie bei nicht-mutierten Bakterien. Sie gelangen durch Berührungen oder Verzehr auf die Haut oder in den Mund. Dort können sie in der Regel aber nicht viel ausrichten, denn gesunde Menschen sind flächendeckend durch mehrere Schichten körpereigener Bakterien geschützt, die sogenannte residente Flora, das Mikrobiom. Fremde Bakterien dringen nicht durch diese Schichten hindurch, finden keinen Lebensraum und sterben nach einiger Zeit. Eindringen können sie durch Wunden oder durch medizinische „Devices“, zum Beispiel Spritzen, die durch ein nicht einwandfrei desinfiziertes Stück Haut gestochen werden. Doch selbst dann wird die körpereigene Abwehr meist mit ihnen fertig.

Warum sind diese Keime dann aber gerade im Krankenhaus oft so gefährlich? Eine Schätzung aus den Nullerjahren geht von 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen (NI) pro Jahr in Deutschland aus, die Menschen sich bei medizinischen Behandlungen zuziehen. Christian Fischer zählt Faktoren auf, die eine Ansteckung begünstigen: längere Krankenhausaufenthalte, Aufenthalte auf der Intensivstation, chirurgische Eingriffe und längere Antibiotikatherapien.

Gefahr für Menschen mit geschwächtem Immunsystem

Nimmt man im Krankenhaus Antibiotika ein, sterben nämlich oft nicht nur die anvisierten Bakterien, sondern auch das Mikrobiom auf der Haut. Multiresistente Keime, die das Antibiotikum überleben, können jetzt leichter die Lücken einnehmen und ihre Besiedlung rasant beschleunigen. Eine Bakterienkolonie benötigt nur 20 Minuten, um sich zu verdoppeln. Gelangen diese Erreger durch eine Wunde oder ein Device in die Blutbahn, droht sehr alten oder erkrankten Menschen Gefahr. Wenn ihr geschwächtes Immunsystem die resistenten Eindringlinge nicht besiegen kann, gibt es kaum Behandlungsmöglichkeiten. Von bis zu 30.000 Toten durch nosokomiale Infektionen pro Jahr geht man in Deutschland aus. Diese Zahl klingt dramatisch, doch sie hängt laut Herrn Fischer auch mit dem Fortschritt der Medizin zusammen: Immer mehr Menschen werden sehr alt oder überleben länger mit schweren Erkrankungen, sodass die Risikogruppe für NI in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen ist. Experten gehen davon aus, dass sich nur ein Drittel der Infektionen vermeiden ließe.

Daran arbeiten die Hygienefachkräfte im Klinikum Lippe Tag für Tag. Jeder Patient wird vor der Aufnahme mit einem Abstrich auf MRSA getestet. Fällt der Test positiv aus und der Patient ist kein Notfall, erhält er zunächst ein „Sanierungs-Set“ und kann den Keim zuhause behandeln – mit einer Nasensalbe, einer Rachenspülung und antiseptischer Seife. Dieses Verfahren ist erfolgreich und für das Krankenhaus kostensparender als die Unterbringung auf einer Isolierstation.

Die fünf Indikationen der Handdesinfektion

In der Klinik werden MRSA am häufigsten über die Hände des Personals übertragen. „Deshalb achten wir darauf, dass in unseren Häusern die fünf Indikationen der Handdesinfektion beachtet werden, die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegt wurden“, erklärt Herr Fischer. „Man muss sich die Hände vor Patientenkontakt, vor Beginn einer aseptischen Tätigkeit, nach Patientenkontakt, nach Kontakt mit potenziell infektiösem Material (also auch nach dem Ablegen von Einmalhandschuhen) und nach Verlassen des patientennahen Umfelds desinfizieren.“ Der Hygienefachmann kennt die Vorbehalte, die viele Kollegen gegen häufiges Desinfizieren hegen: Es trockne die Hände aus und greife vor allem die Haut zwischen den Fingern an. Tatsächlich enthalten aber alle Desinfektionsmittel kleine Fettkugeln, die das verhindern sollen. Um die Hände richtig zu desinfizieren, reibt man sie daher 30 Sekunden lang gründlich bis zu den Handgelenken ein, so lange, bis die Flüssigkeit verdampft ist, und knetet die Haut dann noch einmal durch. So verteilt sich das Fett und schützt vor Austrocknung.

Welche Bedeutung hat eine gründliche Bettenaufbereitung für den Hygienefachmann? „Eine hohe Bedeutung, das Bett kann als Übertragungsweg durchaus eine Rolle spielen“, sagt Herr Fischer. Er sei ein Anhänger der maschinellen Bettenaufbereitung und sehe darin auch ein gutes Werbeargument für Krankenhäuser. Im Klinikum Lippe wird derzeit noch manuell aufbereitet, dabei prüft das Hygieneteam regelmäßig die Qualität. Stichprobenartig werden die Betten vor der Reinigung mit einem fluoreszierenden Kontrollspray eingesprüht, vor allem die Häupter und Seitenteile. Ist die Aufbereitung gründlich, verschwindet das Spray spurlos. Wird nicht alles gereinigt, kann man die Rückstände im Schwarzlicht leuchten sehen. Die Reinigungskräfte führen den Leuchttest selbst durch – das steigere ihre Motivation, ohne dass sie sich angegriffen fühlten.

Antibakterielle Oberflächen haben keinen Nutzen

Welche Eigenschaften eines Bettes helfen bei der Aufbereitung, welche sind eher kritisch? „Völlig überbewertet sind Ionen-abgebende Oberflächen, auf denen angeblich weniger Keime wachsen“, sagt Herr Fischer. Beschichtungen mit Kupfer oder Silber gehörten zum Beispiel in diese Kategorie. „Ich habe lieber eine glatte Oberfläche ohne Fugen und Kabel, die vielen Desinfektionen standhält, als eine beschichtete, die nach drei bis fünf Jahren kaputtgeht“, so der Experte. Zwar verweilen Keime zum Beispiel auf Kupfer tatsächlich kürzer, sodass nach einer bestimmten Zeit nur noch 70 % der ursprünglichen Keime nachweisbar seien. Aber ein Minus von 30 % falle bei der unvorstellbar hohen Anzahl der Erreger in unserer Umwelt kaum in Gewicht. Selbst übliche Haushaltsdesinfektionsmittel aus dem Supermarkt erledigten zwar 99,9 % der Keime, aber das restliche 0,1 % sei noch immer sehr groß. In der Hygiene-Fachsprache entsprechen 99,9 % drei so genannten Log-Stufen, jede weitere Neun hinter dem Komma fügt eine Log-Stufe hinzu. Eine Sterilisation kontaminierter Gegenstände ist bei Log 6 (99,9999 % abgetötete Keime) erreicht.

Anspruchsvolle Stellen bei der Bettenaufbereitung sind laut Herrn Fischer zum Beispiel Scherengelenke und Spiralkabel. Verschmutzungen am Fahrgestell, außerhalb des Kontaktbereichs des Patienten, seien allerdings etwas weniger kritisch. „Bakterien bewegen sich nicht selbstständig fort und finden auf makroskopisch reinen Flächen, zum Beispiel einer Tischplatte, auch keinen Nährboden für eine Ausbreitung“, erklärt Herr Fischer.

Bei seiner Arbeit als Hygienefachkraft setzt er auf regelmäßige Kontrollen, aber auch auf einen kollegialen Umgang mit den Mitarbeitern: „Wir sind nicht die Hygiene-Polizei, sondern beratende Kollegen. Wenn man sagt: ,Stellen Sie sich vor, in diesem Bett würde gleich Ihre Frau, Ihr Kind oder Ihr Vater liegen‘, erreicht man die Leute viel besser.“

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