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08. November 2018
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Vom Bett im Kofferraum zur Pflege der Zukunft

Geschäftsführer Ralf Wiedemann hat 40 Jahre Stiegelmeyer-Geschichte mitgestaltet

Ralf Wiedemann hat seine Laufbahn vom Azubi bis zum Geschäftsführer Vertrieb Inland bei Stiegelmeyer verbracht – und in diesen 40 Jahren zahlreiche spannende Kapitel der technischen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung erlebt. Wie das Unternehmen immer wieder die Zeichen der Zeit erkannt und für eine gute Versorgung pflegebedürftiger Menschen gesorgt hat, erzählt Herr Wiedemann im Interview mit dem FORUM.

Herr Wiedemann, wie ist Ihre Wahl 1978 auf Stiegelmeyer gefallen?

Am 1. August 1978 ging es los – als Auszubildender zum Industriekaufmann. Meine Großmutter väterlicherseits arbeitete damals noch bei Stiegelmeyer, mein Großvater hatte hier gearbeitet, und der andere Großvater war zwar bei der Bundesbahn, hatte dort aber ebenfalls mit Stiegelmeyer zu tun. Ich bin Herforder, und so lag die Wahl nahe. Ich habe eine Bewerbung an den Geschäftsführer Dietrich Tabelander geschrieben, der damals für die Ausbildung zuständig war, und er hat mich eingestellt.

Wie ging es dann weiter?

Nach der Ausbildung folgte mein Grundwehrdienst bei der Bundeswehr, ich blieb aber wie damals üblich im Unternehmen beschäftigt. Danach bin ich als Sachbearbeiter in den Vertrieb gekommen. Dass damals alles so gut geklappt hat, verdanke ich auch meiner Kollegin Frau Krömker. Die wollte eigentlich schon in den Ruhestand gehen, ist aber einige Monate länger geblieben, damit ich nach der Bundeswehr ihr Nachfolger werden konnte. Das war ein guter Einstieg. Bis 1984 habe ich als Sachbearbeiter für den süddeutschen Raum gearbeitet. Es gab nur einen weiteren Bearbeiter für Norddeutschland – das war damals schon „Lean Management“. 1984 habe ich dann im Außendienst das Gebiet Ruhrgebiet und Nordhessen übernommen.

Sind Sie für diesen Posten weggezogen?

Nein, denn Herford lag günstig in der Mitte meines Gebietes. Stiegelmeyer hatte die alte Bundesrepublik geografisch in Scheiben geschnitten. Ein Kollege wohnte in Hamburg und betreute Schleswig-Holstein und Ostfriesland, der nächste betreute den Streifen Emsland bis Harz, und mein Bezirk reichte von Emmerich bis Eschwege.

Waren Sie als Außendienstler für Krankenhäuser und Pflegeheime zuständig?

Ja, und auch für den Bereich häusliche Pflege. Das Gesundheitssystem war damals noch anders aufgebaut. Die Betten-Versorgung zuhause lief nicht über die Krankenkassen und Sanitätshäuser, sondern über Sozialstationen – heute würde man sie häusliche Pflegedienste nennen. Die stellten auch das Equipment zur Verfügung, deshalb galt die Vorgabe: „Das Bett muss in den Polo der Schwester passen.“

Hatte Stiegelmeyer Modelle, bei denen das klappte?

Ja, die Betten 4024 und 4025. Die bestanden aus zwei Häuptern mit Rollen und einer zweiteiligen Liegefläche, bei der man die Rückenlehne mit einer Gasdruckfeder verstellen konnte. Wenn man die Rückbank des Autos umklappte, passten die Betten hinein. Generell war die professionelle häusliche Pflege in den 80er-Jahren nicht so weit wie heute, viele Menschen wurden damals in ihren privaten Betten betreut. Auch in Krankenhäusern und Pflegeheimen setzten sich höhenverstellbare Betten damals erst langsam durch. Elektromotoren waren teuer und selten, Hydraulik galt als Hightech, und die so genannten Klettermax-Betten wurden mit einem Pumppedal mechanisch verstellt und ließen sich nur wieder absenken, wenn jemand darin lag. Die Bedeutung der Höhenverstellung für ein rückenschonendes Arbeiten wurde oft noch nicht erkannt. Ich erinnere mich an einen Klinikgeschäftsführer, der sagte: „Höhenverstellbare Betten will ich nicht, die Zimmer sehen ja völlig unordentlich aus, wenn jedes Bett auf einer anderen Höhe ist.“

Wie sahen damals die Unterschiede zwischen Krankenhaus- und Pflegeheimbetten aus?

Es gab oft keine, denn Pflegeheime kauften ebenfalls Krankenhausbetten. Wohnlichkeit durch Holzumbauten wurde erst im Laufe der 80er-Jahre ein Thema. Zuvor waren farbige Pulverlackbeschichtungen sehr beliebt. Neue Kliniken der 70er und 80er wählten gern Dunkelgrün, in Pflegeheimen setzte man auf Dunkelbraun. Die Seitensicherungen waren selbstverständlich überall aus Metall. Pflegebetten aus Holz wurden zuerst mit Skepsis beäugt, setzten sich dann aber sehr schnell durch.

Die großen Messen MEDICA, ALTENPFLEGE und REHACARE spielen heute für die Stiegelmeyer-Gruppe und besonders für die Kollegen im Außendienst eine große Rolle. Wie sah das vor 30 Jahren aus?

Stiegelmeyer fuhr damals zu den Messen Interhospital und FAB (Fachausstellung für Anstaltsbedarf). Das waren für uns riesige Veranstaltungen, bei denen wir bis zu 500 qm Fläche hatten. Einen offenen Kommunikationsbereich wie heute gab es damals nicht. Stattessen führte man die Kunden zu Einzelgesprächen in Separees mit Vorhängen. Wir hatten bis zu 15 solcher Kabinen auf dem Stand, in denen sechs Personen Platz nehmen konnten. Probleme gab es allerdings, wenn ein bestimmter Mitarbeiter in einer Kabine gesucht wurde, denn es hatte ja noch niemand ein Handy. Dann musste jemand den Kopf durch alle 15 Vorhänge stecken und überall sagen „Entschuldigung, Entschuldigung“. Deshalb hatten wir später alle ein Namensschild mit Klettverschluss, das wir an den Eingang heften konnten. Die Messe Interhospital gibt es schon lange nicht mehr. Nach der Wende machten die Organisatoren den Fehler, den Standort nur auf Hannover festzulegen, aber gerade die Besucher aus den neuen Bundesländern wollten lieber reisen und neue Städte kennenlernen. Stattdessen begann 1990 der Aufstieg der Messe ALTENPFLEGE des Vincentz-Verlags.

1989, kurz vor der Wende, erwarb Stiegelmeyer die Firma Burmeier in Lage. Was hatte es damit auf sich?

Burmeier produzierte damals Esszimmermöbel und sollte auch für Stiegelmeyer Sitzmöbel herstellen. Doch nach der Wende bestand plötzlich in ostdeutschen Pflegeheimen ein riesiger Bedarf an Betten mit Holzumbau und Nachttischen. Daher wurde Burmeier zu einem Zulieferer von Holzelementen für unser Werk in Herford. Als 1994 dann die Pflegeversicherung eingeführt wurde, änderte sich die Versorgung mit Betten für die häusliche Pflege: Statt der Sozialstationen waren nun die Krankenkassen und die Sanitätshäuser zuständig. Um diese Partner mit einem frischen Neuanfang zu gewinnen, wurde Burmeier zur Homecare-Marke. Diese Entscheidung erwies sich als überaus erfolgreich.

1994 endete zugleich Ihre Zeit im Außendienst.

Ja, 1994 bin ich in die Vertriebsleitung gegangen. Der damalige Vertriebsleiter Rolf Siekmann hatte zwei Mitarbeiter. Einer wurde krank, der andere heiratete und wechselte in die Firma seiner Frau. Als Herr Siekmann mich fragte, war gerade zuhause unsere zweite Tochter geboren worden, und der Wechsel in den Innendienst passte sehr gut. Meiner Frau sagte ich damals: „Im Innendienst muss ich abends nicht mehr arbeiten.“ Das wirft sie mir heute noch vor, denn es war eine Fehlannahme.

Wie ging es danach weiter?

Als Vertriebsgruppenleiter erhielt ich zuerst Handlungsvollmacht, später Prokura. Der nächste Wechsel kam 2004, und wieder zeigte sich, dass Veränderungen in unserer Branche oft entscheidend von außen durch politische Umbrüche geprägt werden. 2004 führte die Einführung der Fallpauschalen im Krankenhaus zu einem Paradigmenwechsel. War es zuvor für die Kliniken durchaus vorteilhaft, wenn die Patienten mit ihren festen Tagessätzen länger blieben, rechnete sich mit der Pauschale eher eine zügige Entlassung. In dieser Zeit des Umbruchs haben viele Kliniken beim Bettenkauf gespart. Das bedeutete für Stiegelmeyer Krisenjahre. Viel besser sah es hingegen in der Altenpflege aus, die sich seit den 80er-Jahren erheblich weiterentwickelt hatte. Deshalb haben wir damals beschlossen, die Sparten deutlich zu trennen, um den Pflegebereich stärker in den Fokus zu nehmen. Die gesamte Mannschaft vom Außendienst bis zur Geschäftsführung wurde zwischen Clinic und Care aufgeteilt, und das Care-Team zog ins Burmeier-Gebäude nach Lage. Ich wurde Geschäftsführer für den Pflegebereich. Auch diese Umstrukturierung erwies sich damals als richtig, denn Stiegelmeyer stieg in Deutschland vom höchstens drittgrößten zum umsatzstärksten Anbieter im Care-Bereich auf.

Heute gibt es bei Stiegelmeyer noch immer Sparten, aber wir sind wieder eine Gesellschaft am Standort Herford.

Ja, schon bald zeigten sich die Notwendigkeiten des täglichen Lebens. 2006 ging der Geschäftsführer für den Clinic-Vertrieb. Da die Sparte sich erst am Beginn der Erholung befand, wurde kein neuer Nachfolger eingestellt, sondern ich übernahm den Bereich mit. 2011 war ich auch kurzzeitig Geschäftsführer bei Burmeier, bevor Reiner Rekemeier diese Position übernahm, der Burmeier mit aufgebaut hatte. 2014 zog das Pflege-Team aus Lage zurück nach Herford, 2017 schlossen sich die getrennten Gesellschaften wieder zur Stiegelmeyer GmbH & Co. KG zusammen. Organisatorisch hat das sehr viele Vorteile. Den spezifischen Blick auf die einzelnen Marktsegmente, den wir in der Zeit der Trennung gewonnen haben, bewahren wir, denn die Situation des Marktes hat sich seither nicht grundlegend geändert.

Wie ist die Situation des Marktes heute und welche Entwicklungen sehen Sie in der Zukunft?

Der Klinikmarkt in Deutschland schrumpft – zwar nicht bei Stiegelmeyer, aber insgesamt. In den letzten 15 Jahren wurden ca. 35.000 Betten abgebaut. Dieser Trend hat sich allerdings verlangsamt, und angesichts der demografischen Entwicklung glaube ich nicht, dass in Zukunft noch viele weitere Betten abgebaut werden. Alte Menschen mit multimorbiden Erkrankungen brauchen eine angemessene Versorgung. Auch dass die Bevölkerungszahl in Deutschland zurzeit stabil bleibt, hilft uns. Stark wachsen wird in den nächsten Jahren hingegen der Pflegemarkt. Die spannende Frage ist: Wo wird die Versorgung der Senioren stattfinden? Dabei geht es nicht nur um die Aufteilung zwischen häuslicher und stationärer Pflege, sondern um ganz neue Wohnformen. Gerade erst haben wir mit einem großen Träger gesprochen, der sagt: In Zukunft wird es sehr viele alte Menschen geben, die in privaten Wohnparks oder anderen altengerechten Wohnungen leben und bereit sind, Geld für eine bessere Versorgung auszugeben. Da entwickelt sich ein sehr großer Markt. Die Stiegelmeyer-Gruppe ist als einziger Hersteller in der Position, mit ihren Sparten Pflegeheim, Komfortbetten und Pflege zuhause für alle Anforderungen die passenden Produkte anzubieten.

40 Jahre bei Stiegelmeyer – was hat Sie in dieser langen Zeit an dem Unternehmen fasziniert?

Es gab viele Höhen und Tiefen, aber wir haben uns in schweren Zeiten immer zielgerichtet weiterentwickelt und alles zum Guten gewendet. Die Firma ist grundsolide. Ich habe in 40 Jahren mein Gehalt nie auch nur einen Tag zu spät bekommen. Hinter unseren Produkten stehe ich mit vollem Herzen, denn sie fördern die Genesung kranker Menschen und erhalten die Lebensqualität und das Wohlbefinden aller Beteiligten in der Pflege. Unsere Betten und Möbel sind für Menschen in schwierigen Lebenssituationen da und helfen ihnen, mit mehr Selbstbestimmung und Würde zu altern. Wir arbeiten jeden Tag daran, unsere Kunden bei ihren Aufgaben umfassend zu unterstützen. Den Austausch mit den Kunden und ihr Feedback schätze ich sehr. Für eine positive Weiterentwicklung der Pflege setze ich mich auch als Vorstandsvorsitzender im Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL (ZIG) und durch meine Mitarbeit im Spectaris-Fachverband in Berlin ein. Und ich blicke optimistisch nach vorn: Auch in 100 Jahren werden kranke Menschen Betten benötigen, wir werden weiterhin alt werden. Unsere Produkte wird man auch in ferner Zukunft brauchen.

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