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11. Juni 2016
// Reportagen & Berichte

„Das Schönste ist die Dankbarkeit“

Der mobile Pflegedienst des Roten Kreuzes gibt Einblicke in seinen Alltag

An jedem Morgen begegnet man den Autos mobiler Pflegedienste, die von Haus zu Haus fahren. Für viele Menschen sind diese Besuche ein täglicher Lichtblick. Wie funktioniert die ambulante Pflege, wie fühlen sich die Mitarbeiter? Darüber sprachen wir mit Pflegedienstleiterin Caprice Schulz und Pflegerin Sabrina Westerhold vom Deutschen Roten Kreuz in Herford.

Frau Schulz, Frau Westerhold, bitte stellen Sie sich und Ihren Pflegedienst kurz vor.

Caprice Schulz: Wir sind die Häusliche Pflege Herford und gehören zur DRK Soziale Dienste OWL gGmbH in Bielefeld. Wir organisieren hier den Pflegedienst und 2 Wohngruppen, eine in Herford und eine in Spenge. Ich bin seit 5 Jahren beim DRK beschäftigt und seit 2013 Pflegedienstleitung. Wir haben in Herford rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wie viele Menschen betreuen Sie in den Wohngruppen und zuhause?

CS: Im Moment 60 Menschen.

40 Mitarbeiter, 60 Klienten, das klingt gut.

CS: Das ist es auch, damit sind wir noch gut aufgestellt. In Herford kann man sich in der mobilen Pflege wohlfühlen.

Kennen Sie auch die stationäre Pflege aus eigener Erfahrung?

Sabrina Westerhold: Ja, ich war früher in der stationären Pflege, bin dann in die ambulante Pflege gewechselt und arbeite seit Juli 2015 hier. Es ist ein schönes Arbeiten, es ist familiär, es macht Spaß. Natürlich gibt es auch mal Stress.

Wie läuft ein typischer Tag im mobilen Pflegedienst ab?

SW: Im Frühdienst geht es zwischen 6 und 6.30 Uhr los. Ich hole hier an der Station die Schlüssel einiger Klienten ab und lade die Medikamente in den Wagen. Dann fahre ich zu den Adressen auf meinem Dienstplan. Das sind im Durchschnitt 12 Menschen, wenn man Früh- und Mittagsdienst zusammenzählt. In meinem Dienst habe ich 5 Klienten, die ich morgens komplett im Bett versorge, wasche, ihnen gegebenenfalls aus dem Bett helfe, das Frühstück richte und die Medikamente verabreiche.

CS: Neben diesen intensiven Morgenversorgungen gibt es aber auch die Behandlungspflege bei bestimmten Erkrankungen, die wesentlich kürzer dauert. Wir sind hier in der Bezugspflege, das heißt, die Touren sind festgelegt, damit Klienten und Pfleger nicht ständig wechseln. Wenn die Klienten jedoch besondere Wünsche haben, zum Beispiel eine Begleitung zum Arzt, arbeiten wir auch flexibel und stellen Termine um.

Wie leben die pflegebedürftigen Menschen zuhause?

SW: Einige leben mit ihrem Ehepartner, manchmal haben wir auch beide Partner in der Pflege. Bei einigen wohnen die Kinder mit im Haus oder die Nachbarn schauen vorbei. Einige leben auch ganz allein. Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte 70. Insgesamt betreuen wir mehr Frauen als Männer.

Wünschen sich die Klienten öfter Pfleger oder Pflegerinnen?

SW: Die Männer freuen sich über Pflegerinnen. Es kommt nur ganz selten vor, dass sie Frauen ablehnen. Andersrum ist es häufiger: Einige Frauen möchten nicht von Männern gepflegt werden.

Gibt es bei der mobilen Pflege kulturelle Vorbehalte, etwa von Klienten verschiedener Religionsgemeinschaften?

CS: Das ist bei uns bisher nicht vorgekommen, es kommen nur Anfragen wegen Sprachbarrieren.

Haben Sie pro Klient ein bestimmtes Zeitfenster?

SW: Unsere Zeiten sind klar vorgegeben, aber vieles hängt auch vom Patienten selbst ab. Manchmal muss man mehr Wünsche erfüllen als sonst. Die Zeit dafür nehmen wir uns selbstverständlich und schauen nicht auf die Uhr. Man hat immer ein Zeitpolster, sodass alles gut funktioniert.

Gibt es auch mal Konflikte mit den Klienten?

SW: Oh ja, die gibt es. Dabei muss man die Ruhe bewahren – und meistens weiß man ja auch, dass es an dem jeweiligen Krankheitsbild liegt. Wenn man vernünftig mit den Menschen spricht, ist meistens schnell wieder alles gut und man ist „die Beste“.

Wir sind natürlich daran interessiert, wie wichtig die Rolle eines guten Pflegebettes in Ihrer täglichen Arbeit ist.

SW: Sehr wichtig! Ohne höhenverstellbare Betten würden wir unsere Arbeit vielleicht ein paar Wochen oder Monate machen und dann wäre der Rücken hinüber.

Nutzen einige Klienten noch ihre privaten Betten?

SW: Das kommt tatsächlich manchmal vor, weil die Menschen zum Beispiel an ihrem vertrauten Ehebett hängen. Wir raten dann zu einem Wechsel, meistens erfolgreich.

CS: Wir beraten sehr viel bei der Wahl des richtigen Pflegebettes. Manchmal sind die Menschen sehr klein und man kann das große Pflegebett nicht ganz herunterfahren …

… das kann man auf jeden Fall, wenn man ein Niedrigbett wählt!

CS: Ja, aber dann stellt sich die Frage der Kostenübernahme durch die Krankenkassen. In solchen Fällen sind höhenverstellbare Betteinsätze, die man in ein vorhandenes Bett einsetzen kann, wunderbar. Der Klient fühlt sich wohl darin und die Pflegearbeit ist gesichert.

Was sind die schönsten Momente bei Ihrer Arbeit?

SW: Die Dankbarkeit – oft sind unsere Patienten schon für kleine, selbstverständliche Dinge unglaublich dankbar. Das tut uns gut.

Haben Sie viel mit einsamen Menschen zu tun?

CS: Das kommt vor, und leider spielt in diesen Fällen das Finanzielle oft eine große Rolle. Wir können alles machen, zum Beispiel 5 Mal am Tag nach dem Rechten schauen, Gesellschaft leisten, aus der Zeitung vorlesen. Diese Dienste kann man privat buchen, aber die finanziellen Mittel reichen dazu häufig nicht aus. Dann sind unsere Pflegebesuche oft die einzigen Kontakte in 24 Stunden und die Menschen warten sehnsüchtig darauf, dass wir kommen.

Stiegelmeyer und Burmeier setzen auf digitale Assistenzsysteme, die im Notfall einen Kontakt zwischen Bewohner und Pfleger herstellen – zum Beispiel das Out-of-Bed System oder unser Pflegetelefon, das automatisch mehrere Nummern anwählen kann. Wie sehen Sie den Nutzen solcher Systeme?

SW: Im Moment spielt das in unserem Alltag noch keine Rolle, aber wir sehen durchaus die Entwicklungschancen in der Zukunft. Zurzeit können uns die Klienten über unseren Hausnotruf kontaktieren.

CS: Dabei trägt der Klient einen Knopf um den Hals oder am Handgelenk. Wenn er darauf drückt, melden wir uns durch eine Wechselsprechanlage, die über die Telefonanlage läuft.

Besteht nicht die Gefahr, dass der Klient die Halskette mit dem Knopf abnimmt und verlegt?

CS: Wir müssen sicherstellen, dass der Knopf immer in Reichweite ist.

Kommen solche Notrufe häufig vor?

SW: Das lässt sich nicht vorhersagen. Generell sind sie nicht so häufig, aber oft treten sie phasenweise geballt auf. Eine Erklärung dafür ist schwer zu finden.

Wer tritt zu Beginn der mobilen Pflege häufiger mit dem Pflege- wunsch an Sie heran – die Angehörigen oder die Pflegebedürftigen?

CS: Häufiger die Angehörigen, aber gar nicht so selten auch die Klienten selbst. Die rufen uns an und wir kommen zu einem Beratungstermin vorbei. Wir machen gern diese Hausbesuche, um uns das Umfeld anzuschauen und zu prüfen, wo welches Hilfsmittel benötigt wird. Wir helfen beim Ausfüllen von Formularen oder verweisen an andere Stellen, die bei Anträgen helfen.

Alle sprechen von der alternden Gesellschaft – wie sehen Sie die Zukunft der mobilen und der stationären Pflege?

SW: Die häusliche Pflege ist heute schon wichtiger und wird immer weiter wachsen. Die Menschen möchten lieber zuhause bleiben und Heimplätze sind teurer.

CS: Auch die Wohngruppen sind bereits ein wichtiger Aspekt geworden. Die Pflegeversicherung hat dafür gesorgt, dass auch demenziell erkrankte Klienten dort gut mit der Versorgung von Angehörigen, Bekannten, Nachbarn und ambulanten Diensten abgesichert sind.

Finden Sie genug neues Personal, um diesem Boom zu folgen?

CS: Teil, teils. Wir freuen uns, dass der eine oder andere Kollege aus dem Klinikoder Heimbereich zu uns wechselt. Viele sagen dann: „Das ist ja ganz toll, das habe ich mir gar nicht so vorgestellt.“ Wir bilden natürlich auch selbst aus, in der Hoffnung, dass jeder Ausgebildete bei uns bleibt.

Gibt es unter mobilen Pflegediensten viel Wettbewerb?

CS: Ja, in Herford gibt es 16 Anbieter, aber der Bedarf ist auch da. Wir haben den Vorteil, dass das Rote Kreuz in den Köpfen sehr präsent ist und die Menschen sich bei uns sicher fühlen.

Was ist Ihnen noch wichtig?

CS: Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir auch Menschen ohne Pflegestufe Dienste anbieten, die sie sich wünschen. Und wir betreuen pflegebedürftige Touristen oder Kurgäste, die in unserer Region Zeit verbringen. Wir kommen dann in die Hotels und Pensionen und übernehmen zum Beispiel die Grundpflege.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Kirsten Kaawar und Manuel Jennen.

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