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10. Februar 2014
// Reportagen & Berichte

Anwenderbericht Diakonie Düsseldorf – Wichern-Haus

Themenreihe: Erfahrung aus der Praxis genau hingeschaut & nachgefragt

Das Wichern-Haus ist als eine der ersten Einrichtungen in NRW mit dem „Landesbutton Sturzpräventative Pflegeeinrichtung“ ausgezeichnet worden. Schon beim Neubau des Hauses 2009 wurde darauf geachtet, dass sich die Senioren jederzeit sicher selbstständig fortbewegen können und fixierende Maßnahmen weitestgehend vermieden werden. Einen Beitrag dazu leisten auch die Niedrigbetten von Stiegelmeyer. Im Interview mit dem Einrichtungsleiter Herrn Patzelt und der Wohnbereichsleiterin Frau Krebs sprachen wir über die Pflegephilosophie der Einrichtung sowie deren Umsetzung und Maßnahmen.

Mit dem Projekt „Landesbutton – Sturzpräventive Pflegeeinrichtung und Prämierung von Best-Practice-Einrichtungen in NRW“ werden Heime, Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet, die eine gute Sturzprophylaxe implementiert haben. Welche Maßnahmen sind dabei Ihrer Meinung nach besonders wichtig?

Stürze werden häufig durch Schwindel und Gleichgewichtsproblemen, Gedächtnis- oder Bewegungseinschränkungen verursacht. Auch Medikamente können das Gleichgewicht negativ beeinträchtigen. Daher versuchen wir diesen Gründen entgegenzuwirken. Mit Bewegungsangeboten unterstützen wir unsere Bewohner für eine gute Balance und kräftige Muskeln.

Kann eine Pflegeeinrichtung komplett auf freiheitsentziehende Maßnahmen verzichten?

Ja, unser Ziel ist es, freiheitsentziehenden Maßnahmen (nachfolgend feM genannt) durch Einsatz alternativer Maßnahmen kontinuierlich zu reduzieren. Selbstbestimmung, Teilhabe und respektvoller Umgang stehen bei uns absolut im Vordergrund.

Welche Maßnahmen sind hierfür erforderlich? 

Zunächst einmal legen wir großen Wert auf Fachpersonal und beschäftigen deshalb 62 % ausgebildete Pflegekräfte. Durch gezielte Fortbildungen unserer Mitarbeitenden schaffen wir das notwendige Problembewusstsein. Die Mitarbeiter werden motiviert, die feM zu reduzieren, Alternativen auszuprobieren und zu dokumentieren, damit unsere Bewohnerinnen und Bewohner ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen können.

Wie schnell ließen sich Erfolge erkennen?

Bereits innerhalb des ersten Jahres ist es im Wichern-Haus gelungen, die Anzahl von freiheitsentziehenden Maßnahmen um die Hälfte zu reduzieren. Durch kontinuierliche Umsetzung ist 2012 eine weitere Reduzierung gelungen. Aktuell wird nur noch bei einer Bewohnerin als Fallschutz die Seitensicherung am Bett angewandt. Auf mechanische Maßnahmen wie Fixiergurte, Therapietische, Pflegebodys oder Schutzdecken kann gänzlich verzichtet werden.

Wie setzen Sie das in Verbindung mit den Pflegebetten um? 

Bei jeder Neuaufnahme, nach Krankenhausentlassungen und nach einem akuten Ereignis erfolgt folgt eine Überprüfung der einzusetzenden Maßnahme. Bei jedem neuen Bewohner wird z. b. dokumentiert „Wo stand das Bett im eigenen Schlafzimmer?“ und „Wie waren die Schlafgewohnheiten des Senioren?“ Oft hilft schon eine ähnliche räumliche Anordnung, damit sich der Bewohner gewohnheitsmäßig zur gleichen Seite dreht und nicht aus dem Bett fällt. Auch die nur kopfseitig angebrachte Seitensicherung bietet ausreichenden Fallschutz. Die integrierte Mittelstütze am Bett wird als Aufstehhilfe genutzt und ermöglicht dem Bewohner einen barrierefreien Ausstieg.

Zusätzlich probieren wir alternative Maßnahmen zu feM aus. Bei unruhigen Bewohnern kann z. b. eine weiche Schaumgummirolle die Seitensicherung am Bett ersetzen. Diese Barriere reicht oft schon aus damit der Bewohner nicht ungewollt aus dem Bett fällt. Aus Sicherheitsgründen werden die Pflegebetten zu jeder „Schlafenszeit auf die niedrigste Höhe gestellt. Stiegelmeyer Fallschutzmatten dienen bei Bedarf als zusätzlicher Schutz.

Für viele Häuser sind Fixierungen immer noch eine Standardlösung bei unruhigen Bewohnern. Wo sehen Sie weitere mögliche Ursachen dafür?

Eine interne Überprüfung im Wichern-Haus im Jahr 2011 ergab, dass die Senioren bis zu 15 verschiedene Medikamente pro Tag erhielten. Dabei stagnierten Beratung und Prüfung der Wechselwirkung der verordneten Medikamente durch einen fehlenden Gesamtüberblick. Viele Medikamente können die Wahrnehmung, die Orientierung und den Kreislauf beeinträchtigen und somit das Sturzrisiko begünstigen.

Welche Maßnahmen und Lösungsansätze haben Sie dazu ergriffen?

Das Wichern-Haus hat in Kooperation mit der Universität Witten-Herdecke das Projekt „Redupharm Kreativ“ initiiert. Zielsetzung des Projektes ist die Optimierung der Medikation, ohne das Therapieziel negativ zu beeinflussen. Dabei soll die Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten unter Wahrung der Selbstbestimmtheit der Senioren im Sinne einer  fundierten Mitbestimmung in Bezug auf die eigene medizinische Versorgung verbessert werden. Durch die Teilauswertung des Projektes wurde wissenschaftlich belegt, dass es erheblich zur körperlichen und geistigen Verbesserung der Senioren beiträgt.

Welche Hilfsmittel nutzen Sie bei der Sturzprophylaxe insbesondere beim Thema „Bett“? 

Im Jahr 2012 haben wir von Stiegelmeyer 6 Elvido-Betten mit der Out-of-bed-Technik nachrüsten lassen. Sobald ein sturzgefährdeter Bewohner das Bett verlässt, wird das diensthabende Personal durch das System automatisch informiert. Am Handschalter lässt sich eine Benachrichtigung aktivieren, die über die bestehende Hausrufanlage direkt ins Schwesternzimmer bzw. auf das mobile Telefon gesendet wird, wenn ein Patient das Bett verlässt. Das ist für uns ein zusätzlicher Aspekt, der  das Pflegepersonal entlastet und den Bewohnern Sicherheit gibt.

Werden noch andere Stiegelmeyer-Produkte bei Ihnen eingesetzt?

Da unser Schwerpunkt bei Erhalt und Förderung der Mobilität liegt, haben wir für unsere Bewohner den Nachttisch Combino-brevo ohne Betttisch gewählt. Die Senioren nehmen ihre Mahlzeiten gemeinsam im Aufenthaltsraum ein – nicht im Bett. Nur in Ausnahmefällen kann der Server Pleto an das Bett geschoben werden.

Welche Produkte können Sie in der Zukunft bei Ihrer Arbeit unterstützen?

Digitale Assistenzsysteme sollten in Zukunft dem Bewohner und dem Pflegepersonal das Leben weiter erleichtern. Wir möchten die Eigenständigkeit der Senioren so lange wie möglich erhalten. Dazu benötigen wir auch in Zukunft immer mehr die Hilfe von technischen Systemen, damit das Pflegepersonal entlastet wird und sich auf Sicherheit und Wohlgefühl der Bewohner konzentrieren kann.

Uns begeistert, dass das Lebensgefühl in Ihrem Haus ein ganz anderes ist, als man es von Pflegeeinrichtungen kennt!

Bei uns stehen Mobilität, Freiheit und Selbstbestimmung im Vordergrund. Dabei ist das Engagement unserer Pflegekräfte besonders hoch.
Wir wünschen uns, dass wir anderen Einrichtungen ein Vorbild sind.

Vielen Dank für den interessanten Besuch in Ihrem Haus und das ausführliche Gespräch.

Durch das Interview führten Kirsten Kaawar und Christoph Prevezanos

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